Als Webagentur bewegt und entwickelt sich Liip in einer schnelllebigen Umgebung. Unsere Arbeit bedingt, dass wir uns laufend anpassen. Die Technologie verĂ€ndert sich kontinuierlich und wir versuchen stets, die beste Lösung fĂŒr unsere Kund*innen und Stakeholder*innen zu entwickeln – ob im Bereich benutzerorientiertes Design, Organisationsmethoden oder auf einem anderen Gebiet.

In diesem Artikel erfĂ€hrst du, wie wir bei Liip unsere Mitarbeiter*innen und Teams beim Lernen fördern. Unser «Bildungssystem» basiert auf GrundsĂ€tzen, die sich ĂŒber die Jahre entwickelt haben:

  1. Selbstbestimmtes Lernen
  2. Lerntiefe und Lernumfang
  3. Kontinuierliches Lernen
  4. On-the-job lernen
  5. Fachlicher Austausch
  6. ReflexionsrÀume

Das Aneignen der richtigen Kompetenzen fĂŒr eine bestimmte Arbeit oder einen bestimmten Rahmen ist fĂŒr jede*n von uns erst die halbe Miete. Der Rest liegt in der Verantwortung unserer 30+ selbstorganisierten Teams. Als Team mĂŒssen wir sowohl aus jeder Situation lernen wie auch eine Reihe wirksamer Prozesse entwickeln. Ausgehend von diesem Prinzip entstanden einige GrundsĂ€tze:

  1. Framework fĂŒr ein Mindestmass an AgilitĂ€t
  2. BestĂ€rkung der Teams in den relevanten Methoden – Hilfestellung nur im Ă€ussersten Notfall
  3. SÀen und Wachstum fördern

Lasst uns anschauen, wie Liip diese GrundsÀtze in die Praxis umsetzt.

Individuelles Wachstum: der lernende Mensch

1. Selbstbestimmtes Lernen

Jedes Projekt, jeder Sprint und jedes Team-Set-up ist einzigartig. Insofern könnte man sagen, dass wir jedes Projekt und die ganze Firma um eine einzige Maxime herum organisieren: «Was ist wirklich sinnvoll?». Ausserdem hat jede*r Liiper*in einen anderen Background und trĂ€gt auf ganz eigene Weise zur Arbeit des Teams und zum Erfolg der Firma bei. Viele von uns lieben es, ĂŒber ihre Grenzen hinauszugehen, um Neues zu lernen und auszuprobieren (bzw. wir haben gelernt, es zu lieben). Vor diesem Hintergrund ist es nicht schwer zu erraten, dass Liip in Sachen Bildung auf eine Pull- statt auf eine Push-Ansatz setzt.

Daher erhalten alle Liipers dasselbe Jahresbudget (Zeit und Geld – pro rata temporis), das sie zugunsten ihrer aktuellen sowie kĂŒnftigen EinsĂ€tze in ihr persönliches Wachstum investieren können.

2. Lerntiefe und Lernumfang

Wir sind fest davon ĂŒberzeugt, dass technische FĂ€higkeiten nur einen Teil dessen abdecken, was fĂŒr uns wichtig ist. Bildungsförderung geht bei uns viel weiter. Die Liipers können frei entscheiden, wofĂŒr sie ihr Bildungsbudget ausgeben. Ob AbschlĂŒsse im Tech-Bereich, Achtsamkeitskurse, UX-Konferenzen oder Leadership-Fortbildungen – alles ist möglich.

Das Entwickeln von technischen Kompetenzen liegt in der Verantwortung jedes/jeder einzelnen von uns. DarĂŒber hinaus bieten wir Grundausbildungen in der Methoden und Bereiche, die fĂŒr unsere Arbeitsweise entscheidend sind. So zum Beispiel AgilitĂ€t, Holacracy, Kommunikation und Feedback-Kultur, Organisation der eigenen Arbeit und die EinfĂŒhrung in verschiedene Systeme und Prozesse, die bei uns im Einsatz sind.

Zusammenfassend kann man sagen, dass wir Liipers einerseits unser Handwerk beherrschen und andererseits zugleich auch als Teil eines menschlichen Systems, das uns ein hohes Mass an Freiheit und Verantwortung ĂŒbertrĂ€gt, funktionieren mĂŒssen.

Viele Liipers sind bestrebt, breite Basiskompetenzen zu entwickeln und gleichzeitig ihre Kernkompetenz zu vertiefen (aka T-förmiges Kompetenzprofil). Einige eignen sich auch mehrere Kernkompetenzen an und entwickeln ein brĂŒckenförmiges Kompetenzprofil.

3. Kontinuierliches Lernen

Das persönliche Bildungsbudget ist ein jÀhrliches Budget. Das heisst, ungenutztes Budget verfÀllt zum Ende des Jahres. Das ist so, weil es uns wichtig ist, dass alle laufend in ihr Wachstum investieren.

Kontinuierliches Lernen ist heutzutage auch das Prinzip bei den Inhouse-Schulungen. Aufgrund der Pandemie sind wir von ganztĂ€gigen Seminaren (die zwar toll, aber auch anstrengend waren) auf zwei- bis dreistĂŒndige (Online-) Einheiten umgestiegen. So haben die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, zwischen den Einheiten Hausaufgaben zu machen, was tief greifendere Lernerfahrungen ermöglichte.

Ausserdem wĂ€re kontinuierliches Lernen nicht möglich ohne die 500+ Slack-Channels, die nach ihren Themeninhalten benannt sind (zum Beispiel #analytics, #ask-holacracy, #python oder spezifische Projektname). Sie dienen allen Liipers als Tool, um sich UnterstĂŒtzung zu holen oder Wissen auszutauschen.

4. On-the-job lernen

Die meisten Liipers bringen in ihrem Arbeitsalltag ihren Erfahrungshintergrund sowie das Know-how, das sie sich wĂ€hrend ihrer Einarbeitungszeit angeeignet haben, zur Anwendung. Welche FĂ€higkeiten und Kenntnisse vertieft werden, unterscheidet sich von Person zu Person. Oft aber ist es die Situation, die darĂŒber entscheidet, welche FĂ€higkeiten die einzelnen Mitarbeiter*innen vertiefen.

5. Fachlicher Austausch

Einige Rollen (wie zum Beispiel Product Owner, Scrum Master, Designer oder Content Specialist) werden oft mit nur einem Mitglied der interdisziplinĂ€ren Teams besetzt. In diesem Set-up ist es fĂŒr die Inhaber der entsprechenden Rollen oft schwierig, kompetente Beratung zu bekommen. FĂŒr sie werden Austauschformate organisiert (oft auf Initiative einiger engagierter Liipers), sodass sie sich mit Leuten, die «im selben Aufgabenbereich» tĂ€tig sind, treffen können: spezielle Zeitfenster fĂŒr Austausch, Lunches, aber auch «Intervisionen» (aka kollegiale Gruppenberatung und -entwicklung). Diese Formate beleben und stĂ€rken Netzwerke zwischen Arbeitskolleginnen und -kollegen.

6. ReflexionsrÀume

Agenturarbeit ist ein Wettlauf – ein niemals endender Wettlauf. Entweder man geht diesen Wettlauf an, als handle es sich um eine Reihe von 100-m-Sprints – und hĂ€lt nicht lange durch – oder man begreift, dass es sich um einen Marathon handelt und stellt sich darauf ein. Wie bei jedem Marathon ist das Tempo der SchlĂŒssel zum Erfolg. Obwohl das schnelllebige AgenturgeschĂ€ft uns dazu zwingt, unermĂŒdlich zu arbeiten, wollen wir doch ReflexionsrĂ€ume schaffen.

Es gibt verschiedene Formen von ReflexionsrĂ€umen: Teams halten Retrospektiven auf Team- und Projektebene, jede*r Liiper*in wird von einem «Buddy» durch die Onboarding-Phase begleitet, danach ĂŒbernimmt ein anderer «People Developer» (wie in einem Mentoring-Programm). Projektbezogene Daily Meetings und Chat-KanĂ€le ermöglichen den Austausch von Micro-Learnings – und oft auch der Emotionen, die damit einhergegangen sind :-). Go-live-E-Mails kĂŒndigen der gesamten Firma die EinfĂŒhrung neuer Produkte an und informieren ĂŒber die wichtigsten Erkenntnisse der Teams. Eine jĂ€hrliche Liip-Konferenz bietet Gelegenheit fĂŒr gemeinsame Reflexion.

Wachstum fĂŒr viele: Förderung von Wachstum im Team

Wenn der Zuwachs an Kompetenzen bei Liip eher einer Perma- als einer Monokultur Ă€hnelt, wie stellen wir dann als Firma sicher, dass das richtige Mindestmass passender Methoden und Prozesse angewendet wird, damit die Teams langfristige RentabilitĂ€t ĂŒber kurzfristige Gewinne stellen?

Die Permakultur-Metapher, das Prinzip «Pull statt Push» sowie einige andere GrundsÀtze, die Liips Methodenentwicklern als Leitlinie dienen, spiegeln unsere RealitÀt wohl recht gut wider.

7. Framework fĂŒr ein Mindestmass an AgilitĂ€t

Unsere Teams können ihre Arbeit selbst organisieren. Ein paar Teams wenden Scrum nach Lehrbuch an, wÀhrend die meisten von uns nur Teile davon nutzen oder zumindest teilweise davon abweichen. Viele haben verschiedene agile Methoden im Repertoire und passen diese an die aktuellen Anforderungen an. Auch hier gilt wieder die Devise «was ist wirklich sinnvoll»?

Wir sind alle nur allzu menschlich: Wenn alles gut lĂ€uft, neigt das Team dazu, die erfolgreichen Methoden zu vergessen (z. B. regelmĂ€ssig Retrospektiven halten ;-)). Dann beginnen die Dinge, schief zu laufen, und das Team meint «wir haben jetzt keine Zeit dafĂŒr» – bis es in wirklich grossen Schwierigkeiten steckt und jemand bemerkt: «sollte Scrum nicht genau das verhindern? Besinnen wir uns auf das Wesentliche!». Ab diesem Punkt beginnt alles wieder besser zu laufen – vielleicht sogar so gut, dass nach einer Weile ... Auch wenn das Beispiel ĂŒbertrieben ist, zeigt es den Kreislauf dieses Prozesses gut auf ...

Deshalb haben wir in allen KundenvertrĂ€gen ein Minimum an AgilitĂ€t verankert, um sicherzustellen, dass es in jedem Projekt Raum dafĂŒr gibt und dass der agile Ansatz nicht unter Druck gerĂ€t.

Wenn dieses Framework vertraglich geregelt ist, werden viele Leute in unterschiedlichen Rollen zu BefĂŒrwortern (Advocates), die den Nutzen agiler Methoden erkennen und sie auf Team- und Unternehmensebene laufend fördern – so zum Beispiel Mitarbeiter*innen in der Rolle des Scrum Masters.

Dieser Ansatz, der auf einem festgelegten Framework und der UnterstĂŒtzung von BefĂŒrwortern basiert und dem ein inhĂ€rentes Spannungsfeld innewohnt, das besagt «du hast die Freiheit, dich selbst zu organisieren, aber agil sollte es schon sein», bringt hoffentlich langfristig das hervor, was ich als HerzstĂŒck der AgilitĂ€t betrachte: die FĂ€higkeit, agile Methoden anzuwenden und ihre Relevanz zu hinterfragen, um dann Antworten auf die wesentliche Frage nach «was ist wirklich sinnvoll» zu finden.

8. BestĂ€rkung der Teams in den relevanten Methoden – Hilfestellung nur im Ă€ussersten Notfall

Wir haben dieses dynamische Gleichgewicht nicht ĂŒber Nacht erreicht. Wir durchliefen mehrere Phasen, in denen wir zwischen Aufgeben und Übereifer hin- und herschwankten. Ähnlich wie im oben erwĂ€hnten Zyklus – und das auch auf Unternehmensebene. Wie jedes Gleichgewicht muss auch das von uns erreichte immer wieder ausgeglichen werden. Aber ĂŒbereifrige BefĂŒrwortung und Aussagen wie «wir mĂŒssen 
!» scheiterten immer wieder und fĂŒhren zu einem vergifteten Arbeitsklima: WĂ€hrend die wohlmeinenden BefĂŒrworter sich nicht wahrgenommen fĂŒhlen und immer lauter werden, sehen die Teams ihre Befugnis zur Selbstorganisation in Gefahr und hören immer weniger zu.

Der SchlĂŒssel zur Lösung solcher Probleme liegt darin, zuzugeben, dass gewisse Fehler gemacht werden mĂŒssen, um daraus zu lernen. Und darin, zu akzeptieren, dass ein Team von Zeit zu Zeit scheinbar schlechte Prozessentscheide fĂ€llt und in Schwierigkeiten gerĂ€t, um sich dann wieder auf den Wert der Dinge zu besinnen, die ausser Acht gelassen wurden. Es gilt auch zu akzeptieren, dass Teams sich nicht immer an die Best Practices halten und dann trotzdem einen unerwarteten und unglaublich gewinnbringenden Weg nach vorn finden.

Das «firmeninterne Netzwerk», das die Methodenentwicklung bei Liip begleitet, bietet Schulungen, Coachings und konkrete Hilfestellungen in vielen Praxisfeldern an. Trotzdem verzichtet das Netzwerk ganz bewusst darauf, Teams zu retten, bevor sie sich den Kopf stossen, und lĂ€sst sie so ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. FĂŒr die Vertreter*innen des Helfer-Netzwerks ist das keine einfache Position.

9. SÀen und Wachstum fördern

Der dritte Grundsatz unseres «Methoden-GĂ€rtner*innen»-Netzwerks ist es, das Interesse der Liipers an vielen verschiedenen Arbeitsweisen zu wecken und jegliche Anstrengung, die in diese Richtung unternommen wird, zu unterstĂŒtzen. Jede*r kann interne Schulungen vorschlagen und bekommt UnterstĂŒtzung bei der Organisation, sobald ein interessiertes Publikum gefunden ist.

Wachstum fördern heisst auch, neue lokale Vorstösse in Bezug auf Arbeitsweisen in Betracht zu ziehen und deren Verbreitung zu unterstĂŒtzen. Ein aktuelles Beispiel ist die Methode der Intervision (siehe weiter oben).

GĂ€rtnern ist auch hier wieder eine passende Metapher, wenn wir nicht vergessen, dass wir alle Pflanzen sind, was unser eigenes Wachstum betrifft, und GĂ€rtner*innen, was das Wachstum der anderen betrifft.