Veröffentlicht in Netzwoche 09/2013

FĂŒnf BundesĂ€mter haben zusammen mit Liip und Itopia ein Daten-Pilotportal fĂŒr Open Government Data erarbeitet. Es bietet freien Zugriff auf maschinenlesbare Verwaltungsdaten. Lanciert wird das Portal an der Open Knowledge Conference. Damit ist ein erstes Etappenziel auf dem Weg zu einem Open Swiss Government erreicht.

Der Staat sammelt eine grosse Menge an Daten, darunter auch viele, die keine personenbezogenen Angaben beinhalten, wie zum Beispiel Geodaten oder Finanzinformationen. Einige dieser Daten wurden bereits von den entsprechenden BundesĂ€mtern, stĂ€dtischen und kantonalen Behörden publiziert, allerdings meist in nicht einheitlichen und nur aufwĂ€ndig zu bearbeitenden Formaten, zum Beispiel als PDF-Dateien. Im Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) ist geregelt, dass grundsĂ€tzlich jeder und jede auf Anfrage Einsicht in amtliche Daten erhĂ€lt. In der Praxis geschieht das oft sehr spezifisch und in jedem einzelnen Fall wieder neu; manchmal auch erst, nachdem der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) die Anfrage geprĂŒft und ihr Nachdruck verliehen hat.

Von Pull zu Push

Durch das Internet hat sich der Umgang mit Daten verĂ€ndert. Die Nutzer haben sich daran gewöhnt, aus einer grossen Menge an Daten diejenigen auszuwĂ€hlen, die sie interessieren. Der Staat hingegen verfuhr bisher online grösstenteils wie ein „Pull“-Medium, das heisst, er stellte nur selektiv Daten öffentlich zur freien VerfĂŒgung oder auf Anfrage zur Nutzung bereit. In innovativen Bereichen ist es jedoch schwierig bis unmöglich, im Voraus eine konkrete Anfrage zu formulieren. Innovation wird hingegen begĂŒnstigt, wenn das Experimentieren mit bestehenden Quellen möglich ist und alle Daten frei verfĂŒgbar sind („Push“).

Technische und organisatorische HĂŒrden

Daten von Behörden haben bereits heute eine hohe QualitĂ€t und ZuverlĂ€ssigkeit. Ihre Auffindbarkeit und Nutzbarkeit und damit auch die freie Wiederverwendung sind aber oft erschwert oder sogar unmöglich. Der Grund dafĂŒr sind selten bewusste Entscheide, sondern oft technische oder organisatorische Barrieren: Es fehlen Schnittstellen, um die Daten in Echtzeit zur VerfĂŒgung zu stellen. Und nicht alle Ämter haben ihre internen AblĂ€ufe fĂŒr den öffentlichen Zugang zu ihren Daten geregelt.

Bei der Konzeption des Daten-Pilotportals wurden die Anforderungen der beteiligten BundesĂ€mter, möglicher kantonaler wie kommunaler Data Owner und der Datennutzer berĂŒcksichtigt. Es soll insbesondere den BedĂŒrfnissen von Softwareentwicklern, Designern und Datenjournalisten gerecht werden. Diese wollen einen einfachen und verlĂ€sslichen Zugang zu Daten; sie möchten nicht an 26 verschiedenen Orten nach Gleichem oder Ähnlichem suchen. Und wenn sie Daten finden, benötigen sie diese in nutzbarer Form: maschinenlesbar, in offenen Formaten und versioniert. Ansonsten ist der Aufwand der Nutzer wie auch der Ämter, die die Anfragen beantworten mĂŒssen, schlicht zu hoch.

Nachhaltig aufgebautes Portal

Das Pilotportal besteht aus einer Dateninfrastruktur auf der Codebasis von CKAN, einer Datenmanagement-Software der Open Knowledge Foundation. Zusammen mit Liip unterstĂŒtzt Itopia, die im Bereich Open Government Data (OGD) fĂŒhrende Beratungsfirma der Schweiz, das Projekt des Bundes in strategischen, konzeptionellen und organisatorischen Belangen.

Alle am Projekt beteiligten Mitarbeiter von Liip sind aktive Mitglieder der wachsenden Schweizer Open-Data-Community. Als technische Berater konnten sie ihre langjĂ€hrige Erfahrung mit offenen Webprojekten einbringen. Liip ist offizieller CKAN-Partner, steht somit in Kontakt mit den entsprechenden Entwicklern weltweit und trĂ€gt dazu bei, CKAN weiterzuentwickeln. Dadurch ist sichergestellt, dass das Pilotportal den Anforderungen anspruchsvoller Nutzer und Data Owner auch in Zukunft genĂŒgen kann – vorausgesetzt, der Bund entscheidet sich zu diesem Schritt.

Das zentrale Portal opendata.admin.ch wird ab dem 16. September 2013 vom Schweizerischen Bundesarchiv (BAR) betrieben, das als Projektleiter des Bundes fungiert. Das BAR und das Bundesamt fĂŒr Landestopografie Swisstopo, das mit dem öffentlichen Zugang zu Daten bereits ĂŒber mehrjĂ€hrige, wertvolle Erfahrung verfĂŒgt, sind mit eigenen lokalen CKAN-Instanzen daran angeschlossen. Weitere BundesĂ€mter wie Meteoschweiz, das Bundesamt fĂŒr Statistik und die Schweizerische Nationalbibliothek sind direkt an eine dieser beiden lokalen Instanzen (BAR und Swisstopo) angeschlossen.

Föderalistisch und ausfallsicher

Aus technischer Sicht ist CKAN ein klassisches verteiltes System. Eine Instanz ist dabei grundsĂ€tzlich von allen anderen unabhĂ€ngig. Sie erfĂŒllt die Aufgabe, PrimĂ€r- und Metadaten zu sammeln und bereitzustellen. Im Falle des Pilotportals werden drei solche Instanzen aufgebaut. Die beiden lokalen Instanzen des Bundesarchivs und des Bundesamts fĂŒr Landestopografie Swisstopo holen die Daten ĂŒber Harvester bei den beteiligten Institutionen ab. Die zentrale Instanz muss dann nur noch die entsprechenden Metadaten bei den lokalen Instanzen abholen. Dieser föderalistische Aufbau lĂ€sst sich beliebig erweitern, unter anderem auch deshalb, weil die Instanzen ĂŒber ein Messaging-Protokoll miteinander kommunizieren. Der Ausfall einer Komponente gefĂ€hrdet somit nicht gleich das gesamte System.

Das Pilotportal wurde so aufgebaut, dass nicht nur Bundesinstitutionen, sondern auch Kantone, StĂ€dte und Gemeinden mit vertretbarem Aufwand Daten verfĂŒgbar machen können. CKAN erlaubt es, jeweils alle Daten eines Data Owners gebĂŒndelt aufzulisten. Daneben sind die Daten thematischen Kategorien zugewiesen, wie man es etwa von der Klassifizierung der Daten des Bundesamts fĂŒr Statistik kennt.

Auf dem Weg zum Open Swiss Government

Aufseiten der StĂ€dte und Kantone stehen die Stadt und der Kanton ZĂŒrich in der Poleposition fĂŒr einen Anschluss an das zentrale Pilotportal. Die Stadt ZĂŒrich verfĂŒgt in der Schweiz ĂŒber die lĂ€ngste Erfahrung im Betrieb: Ihr eigenes OGD-Portal wurde bereits im Juni 2012 lanciert. Weitere Kantone, StĂ€dte und Bundesinstitutionen sind interessiert.

Liip treibt CKAN im Rahmen des Projekts fĂŒr den Bund wie auch darĂŒber hinaus vor allem im Bereich der Mehrsprachigkeit voran. Hier bestehen spezifische schweizerische AnsprĂŒche, die bislang nicht adressiert wurden, und fĂŒr die eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden muss. Kanada hat ein zweisprachiges OGD-Portal lanciert, das Schweizer Pendant wird auf der Grundlage der verfĂŒgbaren Metadaten der Data Owner in vier Sprachen verfĂŒgbar sein: in Deutsch, Französisch, Italie­nisch und Englisch.

Das Pilotportal erlaubt es den beteiligten Ämtern sowie weiteren interessierten Data Ownern, Erfahrungen zu sammeln und den Aufwand fĂŒr den weiteren Betrieb und Ausbau abzuschĂ€tzen. Das Projekt ist ein grosser Schritt im Bereich Innovation; und es fördert Folgeinnovationen, die durch die einfachere Auffindbarkeit und die bessere, einfachere Nutzbarkeit der Daten entstehen. Des Weiteren erlaubt das Pilotportal den Projektpartnern, die Nutzung von Open Data in der Schweiz praktisch zu evaluieren.

Der Grundstein und ein solides Fundament wurden mit dem Portal opendata.admin.ch gelegt. Nun wird es darum gehen, das Projekt im Live-Betrieb zu testen und abzuklĂ€ren, wo die BedĂŒrfnisse fĂŒr einen Ausbau liegen. Bereits wĂ€hrend der Pilot-Betriebsphase von sechs Monaten können weitere BundesĂ€mter, StĂ€dte und Kantone an das zentrale Portal angeschlossen werden. Je mehr Daten den Nutzern zur VerfĂŒgung stehen, desto interessanter und nĂŒtzlicher werden die resultierenden Anwendungen sein.

OKCON 2013

An der Open Knowledge Conference vom 16. bis 18. September 2013 in Genf wird das OGD-Pilotportal des Bundes lanciert. Die jÀhrliche, erstmals in der Schweiz stattfindende Konferenz ist der Ort, an dem sich die europÀische Open-Data- und Open-Knowledge-Szene untereinander und mit internationalen Exponenten trifft. Staatliche, institutionelle wie privatwirtschaftliche Data Owner und User tauschen sich unter anderem zu den Themen Open Data, Government und Governance, Open Science und Research, Technology, Tools und Business aus.

Das Line-up der Hauptspeaker umfasst zum Beispiel Ellen Miller, Co-GrĂŒnderin und Executive Director der Sunlight Foundation, Professor John Ellis, Cern und King's College London, Chris Vein, Chief Innovation Officer for Global Information and Communications Technology Development der Weltbank, Victoria Stodden, Assistenzprofessorin fĂŒr Statistik an der Columbia University, sowie Chris Taggart, Co-GrĂŒnder und CEO von OpenCorporates.com.

VEREIN OPENDATA.CH

Eine Gruppe von Aktivisten und VisionĂ€ren erkannte auch in der Schweiz das Potenzial der Daten, die der Bund sowie kantonale und kommunale Behörden sammeln, fĂŒr die Entwicklung von innovativen Anwendungen: Daraus lassen sich einerseits neue Möglichkeiten fĂŒr den Journalismus ableiten, andererseits auch interessante Anwendungen programmieren, indem verschiedene DatenstĂ€mme miteinander verglichen oder zueinander in Relation gesetzt und visualisiert werden (Mash-ups). Mithilfe entsprechender Tools lassen sich ganz neue Einsichten und Perspektiven schaffen. Sie grĂŒndeten deshalb per Ende Januar 2012 den Verein Opendata.ch. Dessen Ziel ist es, entsprechende Verwaltungs-, aber auch privatwirtschaftliche Daten öffentlich, frei verfĂŒgbar und nutzbar zu machen. HalbjĂ€hrlich veranstaltet Opendata.ch jeweils zeitgleich in der Romandie und der Deutschschweiz die Make.opendata.ch-Hackdays. Daran nahmen bis heute ĂŒber 500 interessierte Designer, Entwickler, Data Owner und Ideengeber teil. Zusammen haben sie in freiwilligem Engagement und mittels bereits heute verfĂŒgbarer Open Data viele innovative Anwendungen und Visuali­sierung entwickelt; zum Beispiel in den Bereichen MobilitĂ€t, Gesundheit und Finanzen (eine Auswahl):

flows.transport.opendata.ch

bern.budget.opendata.ch

zurich.budget.opendata.ch

winterthur.budget.opendata.ch

transport.opendata.ch